Krankenpflege im Justizvollzug
Die Pflege ist das wichtige Bindeglied zwischen Arzt und Vollzug. Wichtige vollzugliche Informationen fließen über die Pflege an den Arzt.
Nicht immer schaut der Arzt selbst aus dem Fenster und sieht den kranken Gefangenen quietschvergnügt mit einer Zigarette über den Hof rennen, nachdem er humpelnd die Sprechstunde verlassen hat.
Auch das Verhalten auf Station ist von der Medizin nicht zu beobachten, ist aber in dem Setting Justizvollzug wichtig. Die fast schon qualifizierte Krankenbeobachtung auf der Station durch den erfahrenen Vollzugsbeamten (ohne medizinische Qualifikation) landet als Info via Pflege beim Arzt.
Der Arzt kann noch so gut sein, ohne die Pflege ist er nichts.
Leider gelingt es heute vielfach nicht mehr, formal qualifizierte Pflegekräfte für den Vollzug zu gewinnen. Krankenpflege im Justizvollzug muss daher auch auf andere medizinische Assistenzberufe zurückgreifen. Wichtig ist nicht die medizinische Vollqualifikation als Krankenpflegekraft. Wichtiger ist ein medizinischer Hintergrund und eine Primär-Persönlichkeit, die den besonderen Anforderungen des Justizvollzuges auch gerecht wird.
Pflege spielt die entscheidende Rolle gerade bei den brennenden Fragen des zeitgenössischen Strafvollzuges: Zunahme psychiatrischer Erkrankungen, Suizidalität, Alter und Tod, Substitutionsbehandlungen, Behandlung der einschlägigen Infektionskrankheiten.
In allen diesen Bereichen spielt die Pflege eine Schlüsselrolle. Der allen Bediensteten zugemutete Spagat zwischen einerseits Sicherheit/ Ordnung und andererseits Empathie/Resozialisierung wird bei den Krankenpflegekräften besonders deutlich.
Jeden Tag sind sie mit der alltagspraktischen Auflösung des Widerspruchs von vollzuglicher Verpflichtung im Gegensatz zur pflegerischen Aufgabe belastet. Diesen Spagat auszuhalten und im Zweifel das Primat der Medizin hochhalten, das zeichnet gute Pflege aus. Gerade die Pflegekräfte müssen ja nicht nur den Straftäter, sondern den ganzen Patienten mit seinen sicher auch positiven Anteilen sehen. Bei all diesen Aufgaben ist es ein Wunder, dass Pflegekräfte im Justizvollzug noch nicht mit Gold aufgewogen werden.
Quelle: Karlheinz Keppler
Die Krankenpflege im Justizvollzug bedeutet heutzutage, zu allererst
- Pflegepersonal,
- Backoffice,
- IT-Spezialistin,
- SozialarbeiterIn,
- VollzugsbeamterIn,
- PsychologIn,
- Arzt/ Ärztin light,
- Sachbearbeiter/innen für Beschwerden,
- Mülleimer für alle Sorgen der Insassen
Aller Schwierigkeiten zum Trotz, in dem hierarchischen System des Justizvollzugs klarzukommen, sollte die Überlegung dahin gehen, die Pflegekräfte im Revier, Lazarett oder Vollzugskrankenhaus aus ihrem Schattendasein herauszuholen und ihnen endlich die Wertschätzung entgegenbringen die unsere Kolleginnen und Kollegen verdienen. Aufgrund der besonderen Eigenart dieses schweren Berufsbildes muss darüber nachgedacht werden, dass ein eigenes Berufsbild als Fachkrankenschwester/Fachkrankenpfleger im Justizvollzug geschaffen werden sollte.
Ein erster Schritt der Wertschätzung und Anerkennung dahin ist endlich die seit langen geforderte Pflegezulage.