Seminargruppe besucht niederländische Vollzugseinrichtung
- Foto: BSBD Seminargruppe vor der JVA Sittard
Höhepunkt des Bundesseminars, zu der sich fast 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Justizvollzug des Bundes in Aachen trafen, war der Besuch der JVA Sittard in den Niederlanden. Zuvor aber eröffnete der Bundesseminarleitung das Seminar im Mercure Hotel in Aachen.
Nach der obligatorischen Vorstellungsrunde im Interviewstil eröffnete der Kollege Stefan Leif den Reigen der Vortragenden. Kollege Leif ist stellvertretender Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen und langjähriger Personalrat auf verschiedenen Ebenen. Seine Stammanstalt ist die JVA Rheinbach. Sein Thema lautete: Justizvollzug im Herzen Europas am Beispiel des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Wer den Kollegen Leif kennt und schon mal „live“ erlebt hat, kann sich bestimmt vorstellen, dass sein Referat informativ und kurzweilig war. Neben den aktuellen Problemen in allen Bundesländern, die da sind, Nachwuchsprobleme, wenig Wertschätzung und eine besorgniserregende Zunahme der psychisch auffälligen Gefangenen, ging er auch auf spezifische Probleme des Justizvollzugs seines Bundeslandes ein. Selbstverständlich waren auch die laufenden Tarifverhandlungen ein Thema. Kollege Conrad bedankte sich bei Stefan Leif nicht ohne ihm noch weitere Einsätze als Referent „anzukündigen“.
Der zweite Seminartag begann schon in den frühen Morgenstunden. Zunächst stand eine Busfahrt in die Niederlande an. Die Seminargruppe war angemeldet in der niederländischen Vollzugseinrichtung in Sittard. Dort angekommen, wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer – wie am Flughafen – gründlichst durchsucht. Dabei bekam die Gruppe mit, dass alle Bediensteten der dortigen Anstalt tagtäglich diese Kontrolle über sich ergehen lassen müssen. Nach einem kurzen Imbiss mit leckerem Kuchen informierte ein Mitglied der Behördenleitung die Besucher über das Ziel und den Aufbau der Anstalt. Beeindruckt waren alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die Tatsache, dass die Sicherheit der Anstalt aber auch der Gesellschaft im Fokus des Vollzuges steht. Es wurde berichtet, dass ab dem Jahr 2024 eine Hochsicherheitsabteilung mit 8 Haftplätzen ans Netz gehen soll. Die Gefangenen - hochrangige Bosse aus den Reihen der Clankriminalität und des organisierten Verbrechens – sollen dort abgeschirmt von der Außenwelt und den übrigen Insassen untergebracht werden. Es kann doch nicht sein, dass diese Kriminellen ihre Imperien noch aus dem Gefängnis heraus leiten, erläuterte der Behördenleiter. Kontakte – auch der Anwälte – werden überwacht. Ein sehr guter Personalschlüssel wirkt sich positiv auf die Vollzugsaufgaben aus. Nachholbedarf gibt es noch bei der Arbeit der Gefangenen. Mit Neid blicken die Niederländer auf die gut funktionierenden Arbeitsbetriebe der bundesdeutschen Anstalten.
Die Gewinnung von Personal steht auch im Mittelpunkt der Bemühungen der Vollzugseinrichtungen. Wer junge Menschen als Bedienstete anwirbt und daraufhin ein Arbeitsverhältnis entsteht, erhält als Angehöriger der Einrichtung ein „Kopfgeld“ in Höhe von 1.000 Euro. Auch die Zukunft haben die Verantwortlichen des niederländischen Vollzuges im Blick. Zukünftig werden – trotz aller Bemühungen – nur noch 70 % der Bediensteten zur Verfügung stehen. Die Gefangenen zur Selbstständigkeit im Vollzug anzuleiten, z.B. selbst zu kochen, da es keine Zentralverpflegung mehr gibt und die Ausstattung der Hafträume mit Kommunikationstechnik sollen das Personal entlasten. Interessant war auch die Idee, die Amtssprache im Vollzug auf Englisch umzustellen.
Conrad bedankte sich bei den niederländischen Kolleginnen und Kollegen für die vielen interessanten Informationen und die hervorragende Gast-freundlichkeit.
Dann ging die Fahrt nach Maastricht. Trotz nicht sehr angenehmen Witterungseinflüssen war die 90-minütige Stadtführung aufschluss- und abwechslungsreich.
Der letzte Seminartag stand im Blickpunkt des Besuchs in Sittard und dem Vergleich zum bundesdeutschen Justizvollzug. In Arbeitsgruppen wurden die Unterschiede herausgearbeitet. Unter Leitung des Bundesseminarleiters Winfried Conrad trugen die Gruppen im Plenum ihre Ergebnisse vor.
Zum Schluss verabschiedeten sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit dem guten Gefühl viele neue Eindrücke gewonnen zu haben.